Gemeinsames und gegenseitiges Lernen, statt direktivem Unterrichten, wie jetzt wieder, gab es schon vor gut hundert Jahren, bei Rosa Luxemburg und im Wandervogel, bei Antonio Gramsci, der leider lange unter den Faschisten im Knast saß, aber Gefängnisbriefe schrieb, bei Gustav Landauer und später bei Paulo Freire :

Rosa Luxemburg in der Sozialdemokratischen Parteischule

in: Julia Killet, Fiktion und WirklichkeitRosa Luxemburg Fiktion und Wirklichkeit

Rosa Luxemburg, Wissenschaftlerin gegen Parteien-Zentralismus

Rosa Luxemburg hat bis heute ein gefürchtete Wirkung, die als kämpferische kluge Frau im Studium der Volkswirtschaft, im Unterricht an der Parteischule der SPD, im Gefängnis und in Zeitungsredaktionen geschult wurde, wie Kurt Eisner, der mit Julian Assange als verfolgte und ermordete Journalisten Eines gemeinsam hatten: Den Blick auf die Wirklichkeit wichtiger zu nehmen als Diplomatie, Macht und Wirkung.

„Ihre Gedanken und ihr Einsatz für die Revolution und den demokratischen Sozialismus sind auch über 100 Jahre nach ihrer Ermordung noch immer aktuell. Dies bezeugen nicht nur zahlreiche Konferenzen weltweit zu ihrem Wirken und Denken, sondern auch mehr als 40 Biographien sowie Dramen, Lyrik, Dokumentationen und Filme. Im Mittelpunkt der vorliegenden Dissertation steht das Rosa-Luxemburg-Bild in der deutschsprachigen Prosa von 1919 bis ins 21. Jahrhundert.

Rosa Luxemburg lebt in einer entscheidenden Epoche des europäischen Sozialismus. Sie vertritt einerseits ihre sozialistische Politik mit dem Ziel, den Kapitalismus zu überwinden. Anderseits wird sie als Autorin leidenschaftlicher Liebesbriefe bekannt und als begeisterte Tier- und Naturfreundin. Diese scheinbar widersprüchlichen Charakterfacetten finden sich in verschiedenster Gewichtung auch in der über sie verfassten biographischen und literarischen Prosa wieder.“ BESTELLEN: https://kulturmaschinen.com/produkt/julia-killet-fiktion-und-wirklichkeit/

http://befreiungsbewegung.fairmuenchen.apps-1and1.net/gab-organisierten-widerstand-100-jahren-widerstand-lernen-rosa-luxemburg-www-arbeiterbewegung-jahrbuch-de-p-19844812

http://raete-muenchen.de/rosa-luxemburg-neu-zu-lesen

http://befreiungsbewegung.fairmuenchen.apps-1and1.net/maxi_trifft_rosa_luxemburg3378517

Ich nehme an, dass Paulo Freire auch die Arbeiten von Rosa Luxemburg zugänglich waren, denn seine Gedanken folgen ihren Vorstellungen der Bildungsarbeit mit Arbeitenden:

„Aufklärung durch Taten!“.

Mehr dazu bei Brangsch, Lutz/ Pieschke, Miriam (Hrsg.): Sich nicht regieren lassen. Rosa Luxemburg zu Demokratie und Organisierung. Ein Lesebuch. Dietz Berlin.

UND: https://www.academia.edu/45199787/_Aufkl%C3%A4rung_durch_Taten_Lehren_und_Lernen_bei_Rosa_Luxemburg

Lehren und Lernen bei Rosa Luxemburg

Clara Zetkin und Rosa Luxemburg

Clara Zetkin und Rosa Luxemburg

„Im Jahr 1899, kurz, nachdem sie nach Deutschland übergesiedelt und sofort in die Parteipolitik der SPD eingestiegen war, schrieb Rosa Luxemburg: „Grundsätze der Sozialdemokratie lassen sich ebenso wenig aus Broschüren und Vorträgen allein erfassen, wie sich das Schwimmen im Studierzimmer erlernen lässt.

Nur auf hoher See des politischen Lebens, nur im breiten Kampfe mit dem Gegenwartsstaate, in der Anpassung an die ganze Mannigfaltigkeit der lebendigen Wirklichkeit kann das Proletariat in sozialdemokratischer Richtung geschult werden.“

Sie sieht das Lernen also nicht als totes Studieren, sondern als praktische Angelegenheit. Dabei blieb sie. Im Dezember 1918, schon in der absteigenden Linie der Novemberrevolution, sagte sie auf der Verbandsgeneralversammlung der USPD von Groß-Berlin:

   „Jetzt in der Revolution können keine Reden, keine Broschüren die notwendige 
   Aufklärungsarbeit leisten. Jetzt kommt es auf eine Aufklärung durch Taten an.“

1907 unterrichtet sie an der Parteischule in Berlin Nationalökonomie, betont aber auch gegenseitiges Lernen:

Praxislernen und Wissensproduktion `von unten ́

„Zwei Dinge machen Luxemburgs Auffassung so bemerkenswert. Erstens versteht sie das Lernen in einer revolutionären Partei nicht einfach als Befüllung der proletarisch-sozialdemokratischen Köpfe mit Weisheiten. Das Lernen in der Praxis durch die Proletarier*innen selbst ist eine mindestens gleichwertige Form. Damit ist der zweite, viel wichtigere Punkt verbunden.

Die Mitglieder von Parteien und Gewerkschaften sind für Luxemburg nicht einfach Empfänger*innen von Bildung, sondern auch Produzent*innen von Wissen. Das Erfahrungswissen der Bewegung ist für sie nicht weniger wichtig als das von Intellektuellen und Funktionär*innen vermittelte.

Nicht nur, dass sie die SPD-Führung immer wieder hart kritisierte; sie forderte vom Parteivorstand zudem, dass er von den Massen lernen sollte. Mit ihrer Vorstellung vom beständigen Lernen der Arbeiter*innen bleibt sie den Wurzeln der kommunistisch-sozialdemokratischen Bewegung treu.

Schließlich erwuchs diese aus zwei eng verbundenen Quellen:dem Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit und dem gemeinsamen Lernen. Organisatorisch bildet sich die spätere SPD aus Arbeiterbildungsvereinen und aus deren Emanzipation vom ursprünglich liberal-bürgerlichen Bildungskanon.

Luxemburg war selber Dozentin an der SPD-Parteischule und sah sie ihre Arbeit dort nicht als akademische Veranstaltung,sondern als eng verbunden mit ihrer propagandistischen und publizistischen Tätigkeit. Ihre Idealvorstellung war: Ein halbes Jahr Parteischularbeit, ein halbes Jahr Propaganda oder auch ein halbes Jahr lernen von den Schüler*innen der Parteischule, ein halbes Jahr lernen in Diskussionen mit den sozialdemokratischen Massen.2 Rosen

Revolution als Lernprozess

Diese Auffassung von Lernen und Lehren hat weitreichende Konsequenzen für die Rolle der Partei in politischen Auseinandersetzungen. Reformen müssen als Lernprozesse gestaltet werden, um eine Revolution, die Überwindung der kapitalistisch-bürgerlichen Ordnung, möglich zu machen.

Revolutionen lassen sich nicht „schulmeistern“. Die in Revolutionen nötige Fähigkeit, Kräftekonstellationen und Handlungsmöglichkeiten schnell zu bewerten und Chancen zu nutzen,setzt selbständiges Denken voraus. Dieses muss vorher gelernt werden, wie auch die Fähigkeit, der Initiative der Massen zu vertrauen.

Luxemburgs Verständnis vom Lernen stützte sich so auf zwei organisationspolitische Voraussetzungen. Auf der einen Seite auf die Bindung der Abgeordneten und Funktionäre an die Massen. Und auf der anderen Seite aufweitest mögliche partizipative Formen.

Mehr dazu bei Brangsch, Lutz/ Pieschke, Miriam (Hrsg.): Sich nicht regieren lassen. Rosa Luxemburg zu Demokratie und Organisierung. Ein Lesebuch. Dietz Berlin.

UND: https://www.academia.edu/45199787/_Aufkl%C3%A4rung_durch_Taten_Lehren_und_Lernen_bei_Rosa_Luxemburg

Diffamierung der Pazifisten durch Reaktion und SPD

Bis 1914 hatte sich die Sozialdemokratische Partei zum Pazifismus bekannt, ab Kriegsbeginn ließ sie sich, wie die Gewerkschaften, in den kaiserlichen “Burgfrieden” einbinden und bekämpfte die eigenen Leute wie Karl Liebknecht, der als erster gegen die Kriegskredite stimmte, bis 1917 eine ganze Gruppe aus der Reichstagsfraktion flog: Die Grundlage für die Gründung der USPD, der Unabhängigen Sozialdemokraten, aus denen später 1918/19 in den Kämpfen um die Revolution in Berlin die Spartakisten sich abspalteten.

Antonio Gramsci: Der südliche Sozialismus

Im Gegensatz zum östlichen Kommunismus, der noch die Brutalität des Zarenreiches und seiner Leibeigenschaft in sich trug, waren die italienischen Ideen vor den Faschisten sehr viel aufgeklärter:

Biografie bei http://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Gramsci Er war ein wichtiger Philosoph im Hintergrund für viele Linke, die nicht dem Moskauer Stalinismus anhingen:

http://www.praxisphilosophie.de/gramsci_426.htm

Er prägte den Begriff der Zivilgesellschaft, um damals noch sehr viel klarer zwischen Selbstorganisation der Menschen und Verwaltungsstaat sowie feudaler Militärbürokratie zu unterscheiden:

Heute erzählt uns die neufeudale autoritäre Verwaltung von Dienstleistung, wenn sie uns in Klassenstrukturen durch gekaufte Lobbyparteien drangsaliert …

Paulo Freire und die Kritische Praxis in der Pädagogik der Unterdrückten

Kultur des Schweigens ist ein Begriff aus der Pädagogik der Unterdrückten von Paulo Freire, der sich weltweit durchgesetzt hatte, zuletzt auch zu den Konflikten um die Festnahme und Vor-Verurteilung von Julian Assange, der als Whistleblower die selbst dokumentierten Kriegsverbrechen der USA über Chelsea Manning international bekannt gemacht hat.paulo freire in München

Kultur des Schweigens könnten wir auch über die Nazi-Beteiligungen in den 50er und folgenden Jahren schreiben, als die Justiz jede Verfolgung der Nazi-Mörder und KZ-Beteiligten als „Beihilfe“ unmöglich machte.

Eine Kultur des Schweigens lag auch Jahrzehnte über Gewalt und Missbrauch in den Internaten, in Kirchen und im Sport, weil die Polizei, Staatsanwaltschaften und Zeitungen jeden Anfangsverdacht zurück wiesen. Dass wir in Deutschland keine unabhängige Justiz haben, kommt in welchen Medien? Die EU-Menschenrechtskommission hat keine eigenen Medien …

Die Kultur des Schweigens im Bildungssystem

„Schule und Universität sind staatliche Institutionen, die traditionell einen unterschiedlichen Bildungsauftrag hatten, sich jedoch heute zunehmend angeglichen haben. Während in der Schule das zu erlernende Wissen bereits weitgehend vom Lehrer gewusst wurde, sollte an der Universität durch forschendes Lernen das Wissen zwischen StudentInnen und ProfessorIn neu geschaffen werden.

Dieses auf Kooperation angelegte, grundsätzlich egalitäre Ergänzungsverhältnis war jedoch unvereinbar mit der hierarchischen Struktur universitärer Institution und ist nie verwirklicht worden. Ein ähnliches Schicksal erfuhr die Oberstufenreform an den Schulen, wo zwar Freiräume für das forschende Lernen möglich wurden … diese Entwicklung jedoch alsbald an die Grenzen institutionalisierter Sozialisationsmuster stieß.

So werden die Kinder auch heute noch in der Schule mehrheitlich im klassischen Frontalunterricht zum Schweigen verdammt, sie lernen zuzuhören, still zu sitzen und aufzunehmen, was der Lehrer sagt. Die Vermittlung von Fachwissen tritt hierbei oftmals in den Hintergrund. Für die kritische Selbstreflexion, geschweige denn ein Denken in Ambivalenz ist kaum Zeit vorgesehen.“ Ilse Schimpf-Herken. Mehr: https://kritische-praxis.blogspot.com/2021/02/kultur-des-schweigens-der-universitat.html

Macht und Wissen

Die Mächtigen hatten immer über Medien und Zensur die Themen beherrscht, und die bezahlten wie die öffentlich kontrollierten Medien sind bis heute die Bestimmenden.

Der Hofnarr und das Theater hatten immer die Rolle, an den Themen zu kratzen, die Gesetze und Verordnungen zu hinterfragen, und noch Thomas Mann saß beratend bei der Theaterzensur der Stadt München, die vorher die Stücke von Oskar Panizza und Frank Wedekind zensiert oder verboten hatten.

Die Aufführung einiger Panizza-Stücke ist bis heute verboten, Frühlings Erwachen von Wedekind hat es in manche Schultheater geschafft.

Die Kultur des Schweigens durchbrechen: Bilder-Theater

Das Bilder- und Statuentheater ist ein eleganter Weg, die Kultur des Schweigens zu durchbrechen: Viele von uns haben die verinnerlicht, „nichts“ von Politik und Philosophie und Wirtschaft zu verstehen, weil sie den hochtrabenden Monologen nicht folgen können.

Einen Ärger ausdrücken: Generative Themen: Was steht dahinter?

Einen Ärger ausdrücken, ist in unserer Kultur nicht schnell möglich (außer, der Anlass wäre noch akut), aber die Energie des Ärgers lässt sich nutzen, wenn er erst einmal abgeladen ist: Die Gruppe übernimmt das Bild: Codierung und stellt es dar: Es ist abgenommen! Dann kommt das Gemeinschaftliche Forschen: Was sind die Generativen Themen: Was steht dahinter? Macht? Missbrauch? Unrecht? Wir können fragen, was vorher war, wir können Folgen von Ausweichen, Widerspruch, sogar freche und verrückt erscheinenden Reaktionen ausprobieren, und den Gegner, die anderen Kräfte genauer einschätzen.

Die Arbeit am Tabu

Die Arbeit am Tabu ist die entsprechende Vorgehensweise im Theater der Unterdrückten von Augusto Boal, die aus den Szenen (Wahrnehmen, Aussprechen in der Gruppe) eine Vorstellung vor Publikum (erste Öffentlichkeit) macht und mit Hilfe einer Joker-Figur nach Verständnis und Veränderungs-Möglichkeiten fragt. http://wiki.eineweltnetz.org/doku.php?id=bewusstseinsbildung

Tabu und die Arbeit am Tabu auf der Basis der Bewusstseinsbildung in der Kritischen Theorie

Kultur des Schweigens und der §175

Sexualpädagogik in einer Kultur des Schweigens: 

Christof Zirkel: Es ist wie versext…Macht und Mythen in der Sexualpädagogik – Eine Kritik

S. 213: “Als in den 1980ern HIV und Aids aufkamen, fand für kurze Zeit eine erstaunliche Solidarisierung innerhalb der schwulen Szene statt. Gleichzeitig war im Rahmender Verhinderung von Neuinfektionen die Gesellschaft gezwungen, Sexualitäten und ihre Praktiken offener zu thematisieren, wenn sie nicht homosexuelle Männer absondern und in Quarantäne verbannen wollte.”

Aktuelle Literatur zu Paulo Freire

  • – Publikation „Desaprender para transformar“: http://www.paulofreireberlin.org/es/projekte/publicacion/25
  • Peter Mayo: „Politische Bildung bei Antonio Gramsci und Paulo Freire: Perspektiven einer verändernden Praxis“, 2007.
  • – Zeitschrift „Widersprüche“, Heft 155 (März 2020): „Dialogisches Handeln und Forschen – Mit Freire die neoliberalen Verwüstungen überwinden“(mit Beiträgen von Philipp Andrae, Heinz-Peter Gerhardt, Dietlinde Gipser, Timm Kunstreich, Arnold Köpcke-Duttler, Ronald Lutz, Tilman Lutz, Jutta Lütjen, Michael May, Dirk Oesselmann, Manfred Peters, Marcel Schmidt, Tarkan Tek, Wolfgang Völker, Joachim Weber, Heiner Zillmer)
  • – Harald Hahn: „Theater der Unterdrückten als Mosaikstück Gesellschaftlichen Wandels“ (2018)
  • und natürlich das neue Buch von Ilse Schimpf-Herken und berliner Kolleginnen:

Begegnung verändert Gesellschaft

Begegnung verändert Gesellschaft Annette Nana Heidhues, Ilse Schimpf-Herken, Marianna Schmidt Quintero: Ansätze einer von Paulo Freire inspirierten Bildungspraxis – ab Februar lieferbar, bestellen und Inhaltsverzeichnis hier: https://www.ibidem.eu/media/catalog/product/9/7/9783838214450_inhaltsverzeichnis.pdf

  "Wenn wir bei der Evaluation unserer Kurse jedes inhaltliche Modul in einem Körperglied 
  einer Raupe symbolisieren und unsere Bewertungen darin niederschreiben, 
  tun wir dies in der Hoffnung, dass der Schmetterling, der am Ende in jedem einzelnen 
  unserer Kursteilnehmer*innen entstanden ist, an einen anderen Ort fliegen ... "
Du darfst mich gern verfolgen ...