Das Märchen vom lieben Gott

von Heinrich Vogeler

Schon lang, als das Jahr 1917 dem Ende zuging, sah man in Deutschland überall die seltsamsten Erscheinungen am Himmel und unter den Menschen.

das-blaettchen-zweiwochenschrift Das Merkwürdige aber war, dass am Spätnachmittag des 24. Dezember auf dem Potsdamer Platz von vielen Menschen der liebe Gott gesehen worden ist. Ein alter trauriger Mann verteilte Flugblätter.

Oben stand: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen, und darunter in lapidarer Schrift die zehn Gebote. Der Mann wurde von den Schutzleuten aufgegriffen, vom Oberkommando der Marken wegen Landesverrat standrechtlich erschossen.

Einige Aufnehmer des Flugblattes, die die Worte des alten Mannes verteidigten, kamen ins Irrenhaus.

Gott war tot.in der Tradition der Weltbühne von Siegfried Jacobson (1881-1929) Kurt Tucholsky (1890-1935) und Carl von Ossietzky (1889-1938)

Ein paar Tage darauf waren unsere großen Feldherrn nach Berlin gekommen, mit der festen Absicht, durch Wort und Tat die Welt von Elend und Blut zu erlösen …. weiterlesen bei der Quelle: Das Märchen vom lieben Gott – Das Blättchen (das-blaettchen.de)


Die Märchen vom lieben Gott waren zu alt geworden.

Aber sie hatten den Besitzenden, den Militärs und den Reaktionären in der Wirtschaft gut gedient, zwischen Weihnachtsengeln und Osterhasen, Urlaubs-Flügen und Rentenberechtigung die Mengen am Schuften zu halten, ihre Existenz zu ruinieren für den größeren Gewinn der ganz großen. Den jungen blies man die Ideen der höherwertigen Nation oder Religion ins Hirn, die Gefühle und die Wahrnehmung für die Natur und die Wirklichkeit wurde mit fadenscheinigen Erklärungen von Kind auf zerstört, der Gewinn wäre die einzige Existenzberechtigung.

Das Geschwätz vom Frieden wird zum Kriegmohnblumen-besuch zum Waffenstillstand

Es geht um Gebiete und Rohstoffe, seit vielen Jahren, aber unsere Propaganda-Medien sind von der Nato gesteuert, die nicht kritisiert werden kann. Die Wiederkehr des Führers aus Amerika wiederholt unser Stalingrad in traumwandlerischer Selbstverständlichkeit.

Zwischen Minsk und Smolensk die Lazarette mit den Freunden der Weissen Rose, die nicht nur in München davon berichten wollten, auch, weil ihr russisch-sprachiger Kollege im Medizin-Studium und in der Praxis der Soldaten-Rettung oder Sterbebegleitung, Alexander Schmorell die dortigen überlebenden Bauern verstand, berichten und übersetzen konnte, was sie mit der Wehrmacht erlebt hatten.

 


Als Kinder erzählte man uns allerlei Märchen, und wir hörten sie gern: Vom Klapperstorch, vom Rotkäppchen und dem bösen Wolf, von der Erbsünde, vom Jesuskind und der rettenden Kommunion für die Braven, von der Schuld, die vor allem die anderen haben, und manchmal wir selber, aber davon sollen wir nicht so laut reden, konnten ja beichten gehen.

Das Leben im Märchenland der ewigen Kindheit mogelt so schön: Mit dem Christkind und den Heiligen drei Königen, guten Päpsten und Regenten, netten Nothilfen … auch wenn sie zum Weihnachtsmann und Kaufrausch, lügendem Adenauer und Trump und gutem Biden mutieren können.

Es ist eine archaisch verlogene Welt, die uns gefällt … so lange wir nicht begreifen, dass sie uns verrückt macht. Und dass sich die, die sich darin nicht mehr wohl fühlen, dann geistig – psychisch – krank fühlen, weil sie davon irre werden.

Ein Märchenland der Traumatisierung: Um der Schuld an Krieg und Mord auszuweichen, die man ja selbst erlebt hat, deren Gewinn wir aber auch genießen wollen, brauchen wir die alten Erzählungen, die uns und unsere ReGierung immer als gut, die anderen folglich als Böse darstellen.

Denn der eifersüchtige Gott im bösen alten Märchenbuch (Hair) kennt nur gut und böse: Er findet gewaltsame Landnahme in seiner Verheißung gut, regelt die männliche Nachkommenschaft, lässt aber auch mal in letzter Minute einen Widder statt dem Erstgeborenen opfern.

Dem Buch nach haben alle Frauen die Erbsünde und sind minderwertig, doch schickte der Alte seinen Sohn ans Kreuz, um uns zu erlösen, und warum das nicht bei den Frauen und Sklaven und sonstigen Sündern so ganz geklappt hat, haben seine Priester und Schrift-Gelehrten Theologen (Gotteswissenschaftler) seit Jahrhunderten nicht ganz geklärt, aber alle Waffen gesegnet.

“Putin war’s” ist das Neue “Aber Hitler hat …”

So können wir als Nothilfe jetzt unsere „Marder“ in die Ukraine schicken, den Krieg dort zu verlängern, „zum Sieg gegen Russland träumen, ohne hin zu schauen, welche Menschen dort unter welchen Umständen leben und sterben. Mitgefühl wird auf die Verbündeten reduziert, dort oft verschwenderisch …

Traum und Trauma

Wir alle kommen aus der Traumatisierung unserer Familien, zumindest durch die Besatzung und den verlorenen stolzen nationalen – zum internationalen Krieg gewordenen – Fetisch der Herrenmenschen. Das haben unsere Eltern und Großeltern mit einem westlich inszenierten Neuanfang der „Anständigen“ im Antikommunismus gewaltsam „bewältigt“, aber nicht betrauert, nicht verstanden, verstehen wollen.

Erstaunlich, wie lange das die Frauen mitgemacht haben, bis nun die „feministische Außenpolitik“ erfunden wurde, in der grünen Nachfolge für Madame Albright.

Die “Unfähigkeit zu trauern„, das Buch der beiden Mitscherlichs ist zu einem deutschen Charakter des unbewältigten Postfaschismus der ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik – und im verzerrten Spiegel natürlich auch der DDR – geworden, dort mit aktualisierten Besatzungs-Erfahrung auf dem alten Trauma der Schuld gegenüber der UdSSR und dann durch die Übernahme durch den Kapitalismus.

Aus dem bösen alten Märchenbuch …

Im Märchenland geht’s weiter …

Du darfst mich gern verfolgen ...